Samstag, 29. Februar 2020

Dritte, ergänzte Auflage des Transformationscomics erscheint im März 2020!

Wow, wir freuen uns, dass die dritte Auflage unseres Klimakrisen-Comics im März 2020 erscheint. Wir haben in zwei neuen Vorwörtern das Klimakrisen- und Klimapolitik-Geschehen seit Erscheinen der ersten Auflage im Jahr 2013 kommentiert.


Das erste Vorwort in der neuen Auflage stammt von Prof. Dirk Messner, langjähriges Leitungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung (WBGU) und auch einer der Protagonisten unseres Comics (in Kap. 4 "So blöd sind wir gar nicht. Blick auf die Vergangenheit"). Inzwischen ist er der neue Präsident des Umweltbundesamtes.


Das zweite, sehr persönliche Vorwort stammt von uns Herausgebern (Hamann, Zea-Schmidt, Leinfelder). Wir veröffentlichen nachfolgend eine Arbeitsversion vorab. Im Buch wird eine etwas gekürzte Version zu finden sein.

Wie steht es um unser Klima, sieben Jahre nach dem ersten Erscheinen dieses Buchs?


Heute ist der 10. Januar 2020. Draußen hat es 11 Grad plus – in Berlin. Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre, gemessen auf der Mauna Loa Messtation auf Hawai, beträgt 413,54 ppm.

Sieben Jahre ist es her seit der ersten Auflage der Großen Transformation. Die CO2-Konzentration betrug zu der Zeit 390 ppm. Schon damals war es höchste Zeit, dass das Thema des Comics, die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels, ernst genommen und Schritte zur Begrenzung der Erderwärmung unternommen wurden. Passiert ist bis heute global gesehen: nichts. Die Lage hat sich sogar zunehmend verschlimmert. Die Fakten sprechen für sich: Die globale Erwärmung hat sich im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 1° C erhöht – in Deutschland bereits um 1,5° C. Der Meeresspiegelanstieg beschleunigte sich auf über 3 mm/Jahr. Die Stabilität der Eisschilde, der Gletscher und der Permafrostböden ist deutlich zurückgegangen. Ganze Ökosysteme drohen zu kollabieren. Den Korallenriffen geht es immer schlechter, die Aussterberate der Wildtiere ist erschreckend hoch, in den Meeren bilden sich neue sauerstoffarme Todeszonen. Auch die Rodung der Regenwälder hat dramatisch zugenommen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Je konkreter die Zeichen und Ereignisse, desto stärker werden die Stimmen von Klimaleugnern und Klimawandelrelativierern. Die Weltwirtschaft kann sich zu keinen Reformen durchringen, und die Politik ist zu schwach, um einen einigermaßen wirkungsvollen Kompromiss zu finden. Auf den Klimakonferenzen einigt sich die Weltgemeinschaft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – und selbst der wird in Folge meist nicht eingehalten. Wir kämpfen gegen Windmühlen in einem undurchschaubaren Dickicht von Interessenverbänden, Lobbyisten, Großkonzernen und politischen Akteuren, deren Vernetzungen wir in ihrer Gesamtheit meist nicht durchschauen.
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Die Auswirkungen der Nutzung fossiler Energien auf den Klimawandel ist seit langem bekannt. Sogar die Erdölindustrie wusste bereits vor 40 Jahren Bescheid, hielt das allerdings unter Verschluss. Am 23. Juni 1988 trat der Klimaforscher James E. „Jim“ Hansen – damals Direktor des Goddard Instituts für Weltraumstudien der NASA sowie Professor für Erd- und Umweltwissenschaften an der Columbia University – vor dem Energie- und Naturressourcen-Komitee des US-Senats auf und trug damit das Thema in die breite Öffentlichkeit. Er stellte eindrücklich dar, dass die globale Erwärmung mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht durch natürliche Schwankungen, sondern durch vom Menschen freigesetzte Treibhausgase verursacht wird. Dazu präsentierte er drei Modellrechnungen als Temperaturverlaufsszenarien. Sein Auftritt wurde damals medial überaus stark beachtet, das Erschrecken über den menschengemachten Klimawandel war enorm.





2018, also 30 Jahre nach Jim Hansens aufrüttelndem Auftritt vor dem US-Senat, erschien zur Vorbereitung auf die UN-Klimakonferenz in Katowice der 1,5°-Sonderbericht des Weltklimarats IPCC, der die Notwendigkeit und Machbarkeit diskutierte, die Klimaerwärmung unter 1,5° C zu halten. In Katowice selbst wurde das allerdings wieder aufgegeben und ein auch als „Naming and Shaming“ bekanntes freiwilliges System von Selbstverpflichtungen für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels beschlossen. Der Ausstieg der USA aus dem Weltklimavertrag und die nur mäßigen Ergebnisse der Konferenz in Madrid 2019 machen die Erreichung des Klimaziels noch ungewisser.

(Abbildungen von Till Lukat, basierend auf einer Idee von Yoko Hamann; @Till Lukat und PIK)



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In unserem Comic, dem das bereits 2011 erschienene Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) mit dem Titel „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ zugrunde liegt, steht in aller Deutlichkeit und ganz praktisch, wie wir unsere auf fossilen Brennstoffen beruhende Wirtschaft in eine „post-fossile“ Wirtschaft umbauen können. Die Beiräte benennen im Comic die Problematik des Klimawandels, beschreiben einzelne Maßnahmen, die dagegen unternommen werden sollten, deren Finanzierung, den Umgang mit gesellschaftlichem Gegenwind und auch Möglichkeiten der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe. Es ist alles da – schon längst. Nicht nur der WBGU, auch viele andere Akteure und Gruppen klären auf, gründen Initiativen oder verankern das Thema Umwelt- und Klimaschutz in den Lehrplänen. Ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist möglich, die Wege sind bekannt, der Wandel wäre sogar auf lange Sicht von wirtschaftlichem Vorteil – und trotzdem kommen keinerlei Reformen zustande.

Am Wissen, oder besser Nicht-Wissen um die Folgen einer steigenden Klimaerwärmung kann es nicht liegen. Wir sind alle sehr gut über das Thema informiert. Es gibt zahlreiche Artikel, Medienbeiträge, Dokumentarfilme, Aufrufe in den sozialen Medien – überall auf der Welt gehen die Menschen auf die Straße und fordern ihre Regierungen zum Handeln auf. Wir haben es also nicht mit einer Wissenslücke zu tun. Unsere Hoffnung, dass ein Bewusstsein dessen, wie eine 3°, 4° oder gar 5°C wärmere Zukunft aussieht, die Menschen zum Umdenken anregt, war vergebens – bislang zumindest.

Auch mit dieser Erkenntnis beschäftigen sich nun zunehmend Wissenschaft und Medien. Jeder, vom einzelnen Menschen bis zum größten Industriekonzern, hält eine Erklärung bereit, warum die eigene Verhaltensänderung nichts bringt. Beliebt ist das Relativieren mit Aussagen wie „die Wissenschaften sind sich nicht einig“ oder „die Wirtschaft geht vor“. Andere verfallen in Fatalismus und glauben nicht an die eigene Gestaltungsfähigkeit: „Ich alleine kann nichts machen“, „es ist eh schon zu spät“ oder „die Natur ist viel stärker als wir“. Wieder andere üben sich in Schuldzuweisung: Schuld ist DIE Politik, DER Kapitalismus oder DIE Überbevölkerung.

Wir stecken in einer Sackgasse, in der es uns anscheinend ganz gut geht.

Noch.

Und nur manchen Menschen, in manchen Gegenden.

Vor einigen Jahren gab es viele Medienartikel zum Hurrikan Katrina. Darin ging es auch um die Frage, ob der Wirbelsturm menschengemacht sei oder nicht (Sachlage ist, dass die Wahrscheinlichkeit für die Häufigkeit und zunehmende Stärke solch katastrophaler Naturereignisse durch menschengemachte Umweltveränderungen steigen), doch vor allem wurde in diesen Artikeln beschrieben, welche Heldengeschichten so eine Katastrophe hervorbringen kann: Betroffene werden von Hilfskräften aus schrecklichen Verhältnissen gerettet, man sieht vor Glück und Erleichterung weinende Menschen. In all dem Grauen werden positive Erzählungen möglich – und: Die Menschen schließen sich zusammen und helfen einander, schließlich sitzen plötzlich alle im selben Boot.

Um die Risiken solcher katastrophaler Wetterereignisse schon im Vorfeld zu minimieren, sind jedoch auch persönliche Verhaltensänderungen in Richtung Klimaneutralität nötig. Dies wird von uns meist als Verzicht empfunden, ein NICHT-Tun, das leider dann auch NICHT sichtbar ist: KEIN Fleisch essen, KEINEN SUV fahren, NICHT fliegen, das ist unscheinbar und eben KEINE Heldengeschichte wert. Es ist auch nicht cool. Niemand nimmt mein Verhalten wahr. Es gibt noch kein tolles Markenlabel, das „öko“ ist und mit dem ich glänzen kann. Den Labeln, die es gibt, haftet eher eine vergilbte und etwas muffige 60er-Jahre Aura an.

Selbst so kleine Pflänzchen – oder mittlerweile doch schon beachtlich große Pflanzen – wie die Fridays For Future-Bewegung werden schnell zerredet. Ja, manche Jugendliche werden von ihren Eltern mit SUVs zur Demo gefahren und ja, manche gehen nur hin, weil sie einen unterrichtsfreien Tag haben wollen. Aber vor allem gibt es diejenigen, denen es sehr ernst ist und denen es ausschließlich um die Sache geht. Ein „How dare you“ mag nicht gerade „politically correct“ sein, aber wo die Sachlage klar ist, sollten wir uns nicht in endlosen Auseinandersetzungen wertvolle Zeit stehlen lassen.

Wir alle fühlen uns in unseren Gewohnheiten sicher und fürchten uns vor Veränderungen, weil wir das Neue erstmal nicht kennen und weil es auch Risiken birgt. Das ist einfache Psychologie. In uns gibt es aber auch einen Drang zur Entwicklung und ein immenses Potenzial, uns an Neuerungen anzupassen. Unsere Spezies ist kreativ und flexibel, deswegen waren wir – bislang – so erfolgreich.

In diesem Sinne sollten wir – und „wir“ meint die gesamte Weltbevölkerung und damit auch jeden von uns – mit unseren persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen loslegen. Elektroautos mögen vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber eine Stadt, in der es keine Auspuffgase auf den Straßen und keinen Verkehrslärm mehr gibt, wäre doch auch jetzt schon ein erstrebenswerter Zustand. Auch ein Geschwindigkeitslimit von 130 km/h sollte selbst für uns Deutsche möglich sein, ohne dass wir dadurch unsere kulturelle Identität verlieren. Wir konnten ja auch auf Zigaretten im öffentlichen Räumen verzichten, ohne unsere Individualität und Freiheit einzubüßen.

Eine einfache Lösung wird es nicht geben. Den einen Knopf, den wir nur drücken müssen, und alles wird gut, gibt es nicht. Natürlich wäre es schön, wenn uns technische Innovationen alle Probleme vom Hals schafften und wir gemütlich weiter machen könnten wie bisher. Allerdings scheiden sich auch hier schnell die Geister, wie wir an der deutschen Energiewende sehen: Nach einer ersten Aufbruchseuphorie gab es schnell Einwände gegen eine „Verspargelung“ der Landschaft, Lärmbelästigung durch Windkrafträder, Vogelsterben – der US-amerikanische Präsident Trump behauptet sogar, der Lärm von Windrädern erzeuge Krebs! Bei uns werden durch die neue Abstandsregelung von einem Kilometer zwischen Windkraftrad und Wohnhaus Hürden geschaffen, die die wichtige und sehr erfolgreiche Energiewende in Deutschland stoppen könnten.

2019 sind die CO2-Emissionen in Deutschland um 50 Millionen Tonnen gesunken. Dies lag hauptsächlich daran, dass auch dank dem EU-Emissionshandel eine Reihe von Kohlekraftwerken stillgelegt oder gedrosselt wurden. Es muss aber viel mehr geschehen: Es müssen 65 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen, wenn wir unser Klimaziel bis 2030 erreichen möchten. Bis dahin ist noch ein langer Weg. Außerhalb des Stromsektors, also im Bereich Wohnen und Verkehr, hat sich 2019 der CO2-Ausstoß sogar noch erhöht; im Verkehrsbereich hauptsächlich wegen des steigenden Anteils schwerer Fahrzeuge mit großen Verbrennungsmotoren. Es gibt also auch auf diesem Gebiet noch viel zu tun.

Hier müsste die Politik eingreifen und der Wirtschaft mit Richtlinien und nötigenfalls auch Vorschriften klare Vorgaben machen. Dies bedeutet keine Einschränkung der Wirtschaft, sondern gibt mit den Rahmenbedingungen auch die notwendige Planungssicherheit: Erst wenn ein Unternehmen weiß, wohin der Staat will, kann es eigene Ziele formulieren und neue Wege beschreiten. Allein, die Politik ist abhängig von den Wählerinnen und Wählern. Unbeliebte oder sperrige Maßnahmen wirken sich auf die Popularität der Parteien aus und werden deswegen gerne auf die lange Bank geschoben.

Das Ergebnis dieser Starre sehen wir derzeit auch in Australien, wo Buschbrände nie gekannten Ausmaßes ganze Landstriche verwüsten und über eine Milliarde Wildtiere verbrennen (während wir dies schreiben, ist die Zahl mit 1,25 Milliarden Tieren angegeben worden). Im Netz kursieren Videos von verzweifelten und fast verdursteten Koalas, die von Menschen mit Wasser aus Flaschen versorgt werden. Das ist anrührend. Das ist schrecklich. Da kann einem schon Angst werden vor der Zukunft: Was werden wir machen, wenn es die Tiere nicht mehr gibt, wenn ganze Ökosysteme kippen? Wie fühlen wir uns dann? Wir Menschen sind nicht nur direkt von Überhitzung, Herzinfarkt oder anderen vom Klimawandel verursachten gesundheitlichen Gefahren betroffen. Auch unsere Psyche ist bedroht. Unser Wohlergehen. Wir sind Teil des Systems Erde. Ist sie leer, sind wir es auch. Ist sie reich, sind auch wir reich. Anstatt umgeben – und somit getrennt – von einer „Umwelt“, sollten wir uns lieber in einer „Unswelt“ beheimatet fühlen, zusammen mit allen anderen lebendigen Wesen.

Vielleicht stimmt es – wie es vor kurzem einmal ein hochverdienter Umweltwissenschaftler frustriert ausgedrückt hat: Wir Menschen haben, wie auch die Tiere, nur zwei Beziehungen zur Natur: Wir leben von ihr und wir schützen uns vor ihr. Aber dank unseres Wissens, unserer Kultur und Technik können wir es schaffen, langfristig und generationengerecht von der Natur zu leben und – wenn wir es schaffen, die planetaren Grenzen einzuhalten – uns auch vor ihr zu schützen. Nutzen wir das Erdsystem wie eine Stiftung! Eine gut geführte Stiftung wirft dauerhaft Überschusserträge ab. Geht man allerdings an die Einlagen, so wie wir es derzeit mit der Erde machen, wird sie in absehbarer Zeit kollabieren. Halten wir uns an die Stiftungsregeln und bleiben unter zwei Grad oder, was deutlich sicherer ist, noch unter 1,5 Grad Erwärmung, dann werden wir alle in der Zukunft eine gute Lebensgrundlage und freie Entfaltungsmöglichkeiten haben.

Alexandra Hamann, Reinhold Leinfelder, Claudia Zea-Schmidt